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Digitalisierung des Gesundheitssystems – Solidarität für alle?

In der deutschen Gesellschaft vollzieht sich ein Wandel. Der Altenquotient steigt, heute ist jede zweite Person älter als 45 Jahre und jede fünfte Person älter als 66 Jahre. Das belastet den Generationenvertrag, da mehr Menschen Leistungen wie die Altersrente beanspruchen, während weniger Menschen mit ihren Beiträgen die Töpfe füllen.

Auch die digitale Revolution wird immer mehr zu einem unumgänglichen Thema. Es droht der massenhafte Verlust menschlicher Arbeitsplätze, da viele Tätigkeiten in Zukunft wohl von effizienteren Computerprogrammen und Robotern ersetzt werden.

Digitaler Arztbesuch? Das Smartphone macht’s möglich.
National Cancer Institute on Unsplash

Chance Digitale Revolution

Doch der Aufstieg der Künstlichen Intelligenz (KI) und digitaler Technologien birgt auch ungemeine Chancen. Grade im Sektor der gesundheitlichen Versorgung werden Algorithmen und digitale Sprechstunden mit Ärzt*innen in den nächsten Jahren wohl unabdingbar. Einer der großen Player wird hier wohl (wie so oft) der Onlineversandriese Amazon. Im Projekt 1492 erforschen Entwickler*innen, wie sie mithilfe von medizinischen Aufnahmegeräten und Health-Tracking-Apps an die Gesundheitsdaten der Kund*innen kommen. Die erhobenen Daten sollen dann in einer Art Cloud für medizinisches Personal zugänglich gemacht und archiviert werden. Die Daten der Kund*innen würden darüber hinaus analytisch ausgewertet. Anhand der Datenanalyse könnte der Konzern dann mögliche Erkrankungen vorhersagen und prophylaktisch passende Therapien vorschlagen, bevor die Krankheit je ausbricht. Amazon verspricht sich davon wohl einen zusätzlichen Gewinn über die Vermittlung kostenpflichtiger Arzttermine. Außerdem scheint die Firma am Aufbau eines eigenen Telemedizin-Netzes interessiert zu sein. Kund*innen könnten dann bequem von zuhause eine Sprechstunde bei einer spezialisierten Person ihrer Wahl wahrnehmen.

Unabhängig von Amazon entstehen auch Unternehmen, die zu medizinischen Chips forschen. Diese unter der Haut befindlichen, millimetergroßen Datenträger könnten als eine Art Krankenkassenkarte funktionieren. Der oder die Chiptragende kann auf ihm Informationen zu Vorerkrankungen, Allergien und vorhandenen Impfungen etc. speichern. Medizinisches Personal könnte diese dann im Notfall innerhalb weniger Sekunden abrufen, ohne dass der*die Patient*in dafür bei Bewusstsein sein muss.

Effizient, Einfach und Barrierefrei?

Zuerst einmal erhöht die Digitalisierung die Effizienz des Gesundheitssystem immens. Durch die Verwendung von KI können Fälle verglichen und besser diagnostiziert und behandelt werden. Die Quote der Fehldiagnosen ist bei KI deutlich geringer. Durch die oben erklärten Chips werden Pflegekräfte rechtzeitig über Vorerkrankungen, Allergien und weitere Umstände aufgeklärt. Das minimiert den Zeitaufwand und kann im Zweifel Leben retten. Kund*innen eines Telemedizin-Anbieters können virtuell Spezialist*innen aufsuchen, was die Ansteckungsgefahr im Wartezimmer und den Aufwand verringert. Grade in Zeiten der Pandemie können digitale Sprechstunden bei minderen Beschwerden das chronisch unterbesetzte Gesundheitswesen entlasten. Auch im Kampf gegen den Ärztemangel in ländlichen Regionen können digitale Angebote hilfreich sein. Zu beachten ist jedoch, dass nicht alle Menschen Zugang zu einer ausreichend schnellen und zuverlässigen Internetverbindung haben, um sich auch in der gesundheitlichen Versorgung vorwiegend auf sie zu verlassen. Diesen Menschen bringen digitale Sprechstunden rein gar nichts, egal wie zeit- und kostensparend sie auch sein mögen.

Armut ist ein Gesundheitsrisiko

Digitale Technologien im Gesundheitswesen retten Leben, können Hindernisse senken und die Alltagsbelastung grade für medizinische Angestellte und auch Patient*innen senken. Es ist jedoch essenziell zu beachten, dass nicht alle Menschen den gleichen Zugang zu den neuen Verbesserungen haben werden. Grade im Bonus-Malus-System, also in Programmen, die gesundheitlich förderndes Verhalten mit Boni belohnen und schädliches Verhalten direkt oder indirekt bestrafen, beispielsweise durch höhere Beiträge, können viele nicht profitieren, weil ihre Umstände es nicht erlauben. Der Fokus liegt hier auf dem Verhalten der Einzelperson, gesundheitsschädliche Umstände wie Armut und unvermeidlicher Stress werden missachtet und benachteiligte Personen werden zusätzlich geringere Boni und somit höhere Beiträge gemaßregelt. Auf lange Sicht ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich eine soziale Spaltung zwischen Wohlhabenden, die sich ein gesundes Leben leisten können und Ärmeren, die das eben nicht können, herausbildet. Es entsteht ein potenzielles Spannungsfeld. Der Fokus auf die einzelne Person wirkt auch der gesellschaftlichen Solidarität entgegen, da der Anschein erweckt wird, jede*r sei für seine*ihre Gesundheit alleine verantwortlich, was so einfach nicht stimmt. Durch den Aufstieg des Gesundheitswesens zu eines Art Erziehungsunternehmen wird den Bürger*innen zusehends durch psychologische Impulse (Nudges) vorgeschrieben, wie sie ihr Leben führen sollen. Dies geschieht natürlich nicht explizit, findet aber statt, sobald gesundheitsschädliches Verhalten in finanziellen Nachteilen (höheren Beiträgen) resultiert. Bedenklich ist für mich auch, das privatwirtschaftlichen Unternehmen wie Amazon eine solche Macht überlassen wird. Die Erhebung abertausender Patient*innendaten, macht uns für Amazon transparent und manipulierbar, da sie wissen, was uns bewegt und wie es uns geht. Es muss klar bleiben, dass Konzerne immer eher an der Steigerung ihres Gewinns als am Wohl ihrer Kund*innen interessiert sein werden. Meiner Meinung nach ist es ein erhebliches Sicherheitsrisiko Amazon die Daten ohne staatliches Mitspracherecht zu überlassen. Generell bin ich nicht der Meinung, dass ein profitorientiertes Gesundheitssystem eine gute Idee ist. Die verheerenden Folgen für die gesundheitliche Absicherung zeigt sich wohl am privaten Gesundheitssektor der USA, wo fehlende Versicherung und horrende Arztrechnungen zum Alltag Vieler gehören.

Mit Blick auf die Leitfrage lässt sich sagen, dass die digitale Neuerung im Gesundheitswesen nicht das Solidaritätsprinzip als Fokus zu haben scheint. Verhaltensbasierte Versicherungen und das Prämienmodell hebeln die bisherige Solidarität der Stärkeren mit den Schwächeren aus und erschaffen stattdessen ein Gerechtigkeitsverständnis nach dem Äquivalenzprinzip, das den Schwächeren schadet, während es den Stärkeren zugutekommt, da sie nicht mehr für die Schwächeren aufkommen müssen. Auch 1492 bringt eine Reihe finanzieller und strukturellen Hürden mit sich, die alles andere als solidarisch sind. Um von Amazons Programmen profitieren zu können, muss man Geld und digitale Kompetenzen, sowie Zugang zu einer verlässlichen Internetverbindung haben.

Auch das Gesundheitswesen muss digitalisiert werden.
Markus Spiske on Unsplash

Und wie geht’s weiter?

Meiner Ansicht nach bringt ein digitalisiertes Gesundheitswesen immense Vorteile mit sich. Es ist jedoch immens wichtig, dass alle Menschen, unabhängig ihrer ökonomischen und sozialen Lage, gleichermaßen von den Neuerungen profitieren können. Dafür braucht es, denke ich, eine Beteiligung des Staats an Angeboten wie 1492. Generell müssen Bund und Länder digital dynamischer und besser aufgestellt werden, um den nahenden digitalen Umbruch zu meistern und nicht von der schieren Übermacht von Tech-Giganten wie Amazon überrumpelt zu werden. Außerdem brauch es Konzepte, wie Menschen, die sich den digitalen Neuerungen nicht beugen können oder wollen einen Nachteilsausgleich erhalten. Auch älter und ärmere Mitbürger*innen verdienen eine moderne und effiziente gesundheitliche Versorgung. Es braucht, meiner Meinung nach, weiterhin Solidarität als Grundbaustein unserer Krankenversicherungen. Um diese zu erwirken, sollte man mehr über die Gefahren der vermutlich aus dem anti-solidarischen System resultierenden sozialen Ungleichheit sprechen. Studien beweisen, dass auch die Privilegierten unter einer zu großen Spaltung in der Gesellschaft leiden, sie werden geplagt von Stress und Burnout, Depressionen und Statusangst. Schlussendlich gilt es, die Frage nach Solidarität im Gesundheitssystem nicht technologisch zu verengen. Auch die Förderung von Migrant*innen und BIPOC als medizinisches Fachpersonal baut Hürden für strukturell benachteiligte Gruppen ab.

Damit der Altenquotient (das Verhältnis von Erwerbstätigen zu Rentenempfangenden) nicht überproportional steigt, sind eine Steigerung der Fertilitätsrate mittels gezielten Anreizen (z.B. höheres Kindergeld, verlässliche Kita-Angebote, gesicherte & längere Elternzeit für beide Eltern) eine Idee. Auch von gezielter Migration junger Erwerbstätiger ist immer wieder die Rede. Sie ist eine Chance, den Generationenvertrag in Teilen zu entlasten, kann die Entwicklung aber nicht realistisch aufhalten, da dafür innerhalb der nächsten Jahr mehrere Millionen Menschen einwandern und sozialabgabenpflichtig eingestellt werden müssten.

Ein Weg aus dem Dilemma der steigenden Zahl Bedürftiger und der sinkenden Zahl Zahlender sind steigende Beiträge oder Kürzungen der Leistungen beziehungsweise eine teilweise Privatisierung, bei der bestimmte Leistungen, z.B. Zähne und Psychotherapie nur noch gegen Zuzahlung von der Versicherung gedeckt sind ein Lösungsansatz.

Wenn man Gesundheit für Alle haben möchte, sollte man auch darüber nachdenken, dass Renteneintrittsalter nach hinten zu verschieben, damit die Menschen länger ins umlagefinanzierte System einzahlen. Um Arbeit im Alter zu ermöglichen, sollten Konzerne über eine betriebliche Altersversorgung, flexible Arbeitszeitmodelle und geregelte Altersteilzeit nachdenken. Es braucht altersgerechte, ergonomische Arbeitsplätze, an denen sich auch der digitalen Technologien bedient wird. Unternehmen sollten den älteren Arbeitnehmer*innen mehr Homeoffice sowie einen flexiblen Übergang in die Ruhephase bieten. Auch Mentorenprogramme, in den ältere und jüngere Arbeitnehmer*innen in einer Art Buddy-System voneinander lernen, sollten in Betracht gezogen werden, um die Expertise der Älteren zu nutzen.

Darüber hinaus kann man auch darüber nachdenken die Private Krankenversicherung aufzulösen, damit alle Menschen in den Solidartopf einzahlen. Momentan ist es oft so, das Wohlverdienende nach einiger Zeit von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung wechseln, da hier die Einstiegsbeiträge im Zweifel geringer und die Leistung besser ist. Das kostet die gesetzliche Krankenkasse stark benötigtes Geld.

Durch Boni geförderte Programme, die zu gesundheitsbewussteren Verhaltensweisen “erziehen” sind eine weitere Methode, die Kosten der medizinischen Versorgung zu senken. Allerdings muss auch dieses Programm zwingend Solidaritätsprinzipien beinhalten und darf niemanden benachteiligen.

Der Tod der Mittelschicht

Die Mittelschicht, das ist der Kern unserer Gesellschaft. Seit Jahrhunderten bildet sie die Mehrheit der Bevölkerung. Sie hält den Staat am Laufen und ist ausschlaggebend in der Arbeitswelt. In der Ökonomie und Politik wird die Mittelschicht als tragende und stabilisierende Kraft in der Gesellschaft angesehen. Um diese Funktion ausreichend erfüllen zu können, muss der Mittelstand einen möglichst großen Anteil der Bevölkerung ausmachen.

Geld regiert die Welt – schon immer

Im wirtschaftlichen Sinne teilt sich die Gesellschaft entlang dem Mittelwert der Gehälter in die einkommensstärkere und die einkommensschwächere Hälfte. Der Mittelstand wird definiert als alle Erwachsenen die als Alleinstehende vor Steuern und Sozialabgaben zwischen 60 und 200 % des Mittelwerts verdienen. Das sind aktuell monatlich zwischen 1500 und 2800 € netto im Monat.

Bis zum Ende des deutschen Kaiserreichs waren die Menschen klar in die Klassen des Adels bis zu den Besitzlosen geteilt. Diese wurden danach mit der voranschreitenden Demokratisierung in der Weimarer Republik durch gesellschaftliche Schichten abgelöst. Stark vereinfacht waren das die Ober-, Mittel- und Unterschicht.

Der Mittelstand schrumpft

Seit den 1990er Jahren schrumpft die Mittelschicht kontinuierlich. 2013 hatte die Mittelschicht einen Anteil von 54 % an der Bevölkerung in Deutschland. Das sind im Vergleich zu 1991 ganze 6 Prozentpunkte weniger. Es zeigt sich: die Mitte schrumpft. Als zentralen Auslöser dieser Entwicklung sehen Expert*innen das Anwachsen des Niedriglohnsektors in Deutschland, welcher durch eine Zunahme geringbezahlter Jobs in der Dienstleistung und dem Wegfall industrieller Arbeitsplätze begünstigt wird. Auch werden immer mehr Vollzeitstellen in Stellen für Leih- und Zeitarbeit, ebenso wie geringfügige und befristete Beschäftigungen umgewandelt, da diese für die Arbeitgebenden billiger sind.

Dieser Prozesse wird ausgelöst durch das Voranschreiten der Globalisierung und hat schlussendlich eine Verstärkung der Einkommensschere, also der Trennung von Arm und Reich und wachsende soziale Ungleichheit zur Folge. Besonders betroffen in Deutschland sind Menschen mit Migrationshintergrund. Der Mittelstand schrumpft, ebenso ihr Anteil am Volksvermögen. Sie wird zu dem – wie die gesamte deutsche Gesellschaft – älter.

Die Reichen werden reicher, die Armen ärmer

Gleichzeitig explodieren die Mieten, grade in den momentan so lebenswerten Großstädten. Die Lebenskosten steigen rasant. Darüber hinaus zahlen Deutsche im Vergleich zu europäischen Mitbürger*innen sehr hohe Steuern und Sozialabgaben. Die Kaufkraft und die Fähigkeit des Mittelstands, Vermögen anzusammeln sinkt.

Nichtsdestotrotz verdienen die Vorstände der Top 30 Unternehmen in Deutschland heute zehnmal so viel wie noch vor 30 Jahren. An den Angestellten ist dieser wundersame Geldzuwachs aber spurlos vorbei gegangen, das Realeinkommen ist nur moderat gestiegen. Die Durchschnittslöhne halten nicht Schritt mit der generellen Vermögensentwicklung. Trotz jahrelangem Konjunkturhoch und Rekordbeschäftigung fürchten immer mehr Bürger*innen um ihre finanzielle Zukunft. Inzwischen besitzen 45 Super-Reiche in Deutschland so viel wie die gesamte ärmere Hälfte der Bevölkerung. 45 Menschen besitzen also genau so viel wie 40 Millionen weniger Wohlhabende.

Der französische Wirtschaftsforscher Thomas Piketty untersuchte 2014 die Einkommensentwicklungen der letzten 300 Jahre. Er fand zu allen Krisenzeiten eine Verarmung des Mittelstands, während die Oberschicht in jeder Krise durch höhere Gewinne ihrer Geldanlage reicher wurde. Diese Entdeckung ist auch in der Coronapandemie zu beobachten.

Profitiert von Covid-19: Amazon

Sinnbild dafür ist sicherlich der Amazon-Gründer Jeff Bezos. Seit Anfang des Jahres stieg sein Vermögen um mehr als 24 Milliarden US-Dollar auf umgerechnet über 126 Milliarden Euro. Währenddessen verlieren weltweit und grade in den USA Millionen von Menschen pandemiebedingt ihre Beschäftigung. Bezos‘ Angestellte arbeiten zum Mindestlohn, während Amazon mehr Umsatz als jedes andere Unternehmen generiert.

Sinkendes Rentenniveau

Die wohl wahrscheinlichste Folge der beschriebenen Entwicklung ist die Altersarmut. Schon im Jahr 2017 betrug die ausgezahlte Regelaltersrente im Durchschnitt nur 902 € monatlich. Zahlen die Rentner*innen davon ihre Miete, kommt es schnell zum Engpass. Die heute noch Berufstätigen müssen mit durchschnittlich noch weniger rechnen. Das liegt daran, dass in Deutschland junge Verdienende fehlen, die mit ihren Einzahlungen die Versorgung ihrer Großelterngeneration finanzieren. Die Bundesrepublik überaltert, was die Problematik noch verstärkt.

Dass in Europa Menschen mit ihrer Rente nicht über die Runden kommen und Studierende hohe Schulden aufnehmen, um dann nach dem Abschluss als Kassierer zu arbeiten während einige Wenige die Früchte des Ungleichgewichts ernten, das hat Folgen.

Einige Betroffene beginnen, an der Demokratie und am Sozialstaat zu zweifeln. Das Gefühl der ungerechten Behandlung führt immer mehr zu einer steigenden Unzufriedenheit mit dem Establishment. Menschen fühlen sich abgehängt und zurückgelassen. Grade in den letzten Jahren werden diese Menschen immer öfter von Rechtspopulisten abgeholt. Sie wettern gegen die „Eliten“ welche die einfachen Bürger*innen vernachlässige und schaffen es so, Zuspruch im Mittelstand zu finden, der jahrzehntelang das Kernklientel der Volksparteien bildete.

Die Zukunft?

Der digitale Todesstoß

Eine neu hinzukommende Herausforderung ist die Digitalisierung. Noch herrscht große Unsicherheit, wie sich digitale Technologie und künstliche Intelligenz auf Routinetätigkeiten auswirkt – sowohl ein Zuwachs als auch der Wegfall Hunderttausender Arbeitsstellen ist denkbar. Das vorherrschende Problem ist, dass die, die ihren Job im analogen Sektor einbüßen nicht auch gleichzeitig die sind, die die Jobs der digitalen Welt übernehmen können. Absteigen werden voraussichtlich ungelernte Arbeitskräfte, während Hochgebildete den Aufstieg meistern. Es braucht ein Umdenken, echte Veränderung, und zwar bald. Weiter die Augen zu verschließen wird Konsequenzen haben.

 

Chance auf Genesung

Doch wie geht es weiter? Wie schaffen wir es, unsere Kerngesellschaft vor dem wirtschaftlichen Aus zu bewahren? Ein Modell sieht vor, die Sozialabgaben nicht länger vom Gehalt der Arbeitnehmenden abzuziehen. Stattdessen würde von Unternehmen eine pauschale Sozialversicherungsabgabe verlangt werden, welche am Umsatz des jeweiligen Konzerns orientiert wäre. Folglich würde die Mittelschicht weniger zahlen und digitale Riesen, die kaum noch Menschen beschäftigen, aber Milliarden Umsätze generieren (Google, Facebook etc.), zahlen mehr und leisten einen Beitrag zur sozialen Absicherung. Als Nebeneffekt würde Arbeit billiger, ohne die Arbeitnehmenden zu belasten, was eventuell den Reiz von Neueinstellungen steigern würde.

Gleichzeitig sollte man schon jetzt in die Um- und Weiterbildung der Arbeitnehmenden investieren. Wenn Menschen erst einmal flächendeckenden von Maschinen und Algorithmen ersetzt wurden, ist es zu spät, sich zu wehren.

Die deutsche Mittelschicht stirbt. Die Symptome sind da, der Verlust ist für die Gesellschaft nicht tragbar. Aber: es gibt Hoffnung. Wir haben die Mittel, dem Kern unserer Gesellschaft zur Genesung zu verhelfen. Nutzen wir sie!

Fotos: Sharon McCutcheon, Christian Wiediger, Owen Beard – Unsplash